Das Leben im Wald ist für dieses Jahr abgeschlossen
SARAH WEYA: Ein Freund, der nach Portugal ausgewandert ist, hat mir kurz vor seiner Verabschiedung gesagt: «Du bist selbst schuld, wenn Du nicht Deiner Sehnsucht folgst, mach es doch einfach!» Bevor ich antworten konnte, hat er mich gesperrt. Mit diesem Satz hat er mich allein gelassen und sich nie mehr gemeldet. Mach es doch einfach. Ha ha. Das Leben im Wald war nur eine Metapher, um diese Sehnsucht zu visualisieren. Ich lechze nach Ruhe und Abgeschiedenheit. Lärm im Innern ist schlimmer als im Aussen. Es gibt Menschen, die haben es einfacher als ich. Die schalten beim Joggen oder bei der Pedicure ab. (Übrigens, ich denke in ein paar Jahren lacht man sich kaputt darüber, dass jemand freiwillig 2cm lange Fingernägel mit Weihnachtsdeko getragen hat, aber egal – jedem das seine). Viele schlagen mir auch ein Bad vor oder einen Spaziergang zu machen, oft kommt auch: «Iss doch wieder einmal ein Gericht, das Dir wirklich schmeckt». Ja der Austernstand von Besançon ist halt nicht um die Ecke.
Als ich mir eine Woche Jakobsweg durch die Schweiz angetan hatte, konnte ich keine Sekunde abschalten. Ich war nämlich mit meinem Atem beschäftigt, da ich dachte ich bekomme nächstens einen Herzinfarkt. Meditieren geht auch nicht, scheinbar habe ich mir eingeredet, dass es mich dann sowieso immer irgendwo juckt, und genauso ist es jedes Mal gewesen. Einen Juckreiz wegmeditieren, wäre sogar für einen Buddha eine Herausforderung. Hanftropfen auf illegaler Basis habe ich auch ausprobiert. Die Wirkung war nicht schlecht, vor allem wenn man körperlich verkrampft ist. Auf den inneren Lärm hat es aber einen gegenteiligen Einfluss, der wird tatsächlich dadurch noch verstärkt. Aufräumen tut manchmal gut, aber nachdem alles wieder seine Ordnung hat, bekomme ich das Gefühl ich müsse jetzt voller Tatendrang etwas Neues erfinden oder erschaffen. Bei mir ist Hopfen und Malz verloren. Ich kann nicht abschalten.
Jetzt kommen wir an einen heiklen Punkt. Beim Malen geht es, das war schon immer so. Ich höre den Portugal Freund, wie er sagt: «Du bist selbst schuld, wenn Du nicht Deiner Sehnsucht folgst, mach es doch einfach!». Ja, das könnte ich, dafür braucht es aber den Schlauch. Der Schlauch ist die Verbindung von mir zum kreativen Universum. Ich stelle ihn mir immer in einem hellen Blau vor. Der Schlauch zapft einfach an, und dann geht’s los. Ich muss nichts tun, nichts denken und keine Angst haben. Es malt, nicht ich. Das ist ein sehr befreiendes Gefühl, da in dieser Situation niemand erwartet oder ein Ergebnis wünscht. Einfach sein. Der Schlauch kommt aber nur zu mir, wenn ich keinen inneren Lärm in mir habe. Leider spielt seit 3 Jahren ein Katzenmusik Orchester in meinem Kopf. Die Frage stelle ich in den Raum, ob ich die Dirigentin bin oder nicht. Mein Portugalfreund würde jetzt sagen: «Ja, Du bist es».
Ich beobachte, dass ich nicht die Einzige bin. Viele meiner sehr lieben Freunde, hausen momentan tatsächlich in einer Alphütte für zwei Wochen oder haben es noch vor. Alle sind müde von diesen 3 Jahren, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte. Scheinbar haben wir die gleichen Sehnsüchte.
Möge der Schlauch mit uns sein im nächsten Jahr.
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